|
Film
Der Spitzenspießer
In Alexander Paynes Film „About Schmidt“ versucht sich Jack Nicholson am Seniorendasein
Von Jörg Lau
Der Autor Louis Begley war ursprünglich, so hört man, von der Idee sehr angetan, man würde seinen Roman About Schmidt mit Jack Nicholson in der Hauptrolle verfilmen. Der junge Regisseur Alexander Payne führte Begley die fertige Adaption vor dem Kinostart in einer Privatvorstellung vor. Begley ist ein höflicher und höchst diplomatischer Mann. Er versteht es, scharfe Kritik in Form eines Lobes unter die Leute zu bringen. Also sagte er dem sichtlich nervösen Regisseur, der sich offenbar schon auf einen Veitstanz der gekränkten Eitelkeit eingestellt hatte: „Gratuliere. Ich hätte liebend gern das Buch geschrieben, das Sie verfilmt haben.
Anders als der Autor, der sich auf den Deal nun mal eingelassen hat, ist der Kritiker zum Glück nicht zu Diplomatie verpflichtet: Hiermit also sei den Liebhabern von Begleys Roman dringend geraten, einen weiten Bogen um diesen Film zu machen. Für kritische Jack-Nicholson-Fans hingegen ist About Schmidt obligatorisch.
Nicholson spielt hier mit der Abweichung vom eigenen Klischee. Wer seine hoch expressiven, manchmal übermäßig grimassierenden Auftritte als Psychiatriepatient, Axt-Mörder, Werwolf und leibhaftiger Sex-Teufel in Erinnerung hat, der wird überrascht sein zu sehen, wie dieser Spezialist für extreme Figuren hier einen in seiner unterdrückten Wut erstarrten Spießer gibt. In der ersten Szene, am Tag seiner Pensionierung, sitzt er in seinem leeren Büro zwischen Umzugskisten und starrt die Uhr an. Das schüttere Haar ist über die Glatze gekämmt, der Blick erloschen und müde, und für einen Moment könnte man tatsächlich denken, Ernest Borgnine sei irgendwie digital oder genetisch um 20 Jahre verjüngt worden. Dann schlägt es fünf, und Nicholson schlurft mit hängenden Schultern aus einem freudlosen Arbeitsleben in ein trostloses Seniorendasein hinein – ein Zwangscharakter, ein Verlierertyp, eine unerhebliche Existenz, der zur Lächerlichkeit bloß die nötige Fallhöhe fehlt.
Man ahnt, was nun kommen muss: Die Ordnung dieser spießigen Existenz wird sich als Schein erweisen, Warren Schmidt die Kontrolle über sein Leben verlieren und erkennen müssen, dass er eine noch kleinere Nummer ist, als er selbst schon ahnte. Weder zu seiner Frau, die bald sterben wird, noch zu seiner Tochter hat er je eine echte Beziehung gehabt, und sein Versuch, sich in die Hochzeitspläne der Letzteren einzumischen, führt beinahe zum Desaster. Die Katastrophe wird nur dadurch vermieden, dass Warren Schmidt sich seiner Würstchenhaftigkeit bewusst wird und klein beigibt: Die Tochter heiratet den Typen, vor dem Schmidt sie bewahren wollte, und er muss auch noch gute Miene dazu machen. Am Ende bleibt ihm nur das Selbstmitleid eines Mannes, der sich fälschlicherweise für den Inbegriff von Normalität und Integriertsein gehalten hat und nun erkennnen muss, dass er sein Leben in innerer Einsamkeit und Beziehungslosigkeit vertan hat.
Nicholson spielt Schmidt mit einem ironischen Blinzeln, das jedem erlaubt, sich diesem Ausbund an trister Mittelmäßigkeit fortwährend überlegen zu fühlen. Das ist der Grund für das Scheitern dieses Films, der eine interessante Studie über Alter, Einsamkeit, Wut und späte Reue hätte werden können. Doch noch die traurigsten Szenen verhunzt Nicholson durch plumpe Clownerie. Er hält es einfach nicht aus, Warren Schmidt zu sein. Er will ihn dauernd entlarven und vorführen, ganz so, als hätte ihn die Panik gepackt, wir könnten ihn am Ende tatsächlich mit seiner Figur identifizieren.
Es ist meist unnütze Erbsenzählerei, die Adaption mit dem Originalstoff zu vergleichen. In diesem Fall aber erschließt sich aus den Abweichungen die Schwäche des Films. Aus dem reichen und weltläufigen New Yorker Anwalt Albert Schmidt hat Alexander Payne Warren Schmidt gemacht, einen piefigen Versicherungsangestellten in Omaha, Nebraska. Der smarte jüdische Anwalt aus Schmidts Kanzlei, den seine Tochter zu Papas Unbehagen heiraten will, ist im Film zu einem proletenhaften Volltrottel geworden. Das Thema des Antisemitismus, das im Roman keine geringe Rolle spielt – Schmidt verschmäht den Zukünftigen ja nicht zuletzt seiner Herkunft wegen –, hat Payne einfach weggelassen. Dermott Mulroney übrigens, der den Schwiegersohn spielt – eigentlich einer der attraktivsten Schauspieler der mittleren Generation –, ist durch die fieseste Vokuhila-Frisur im amerikanischen Kino seit Mel Gibsons Braveheart regelrecht entstellt.
Dies ist keine Nebensache: Alles in diesem Film, der bloß vorgibt, sich für die Alltäglichkeit und Durchschnittlichkeit seiner Helden zu interessieren, ist doch nur die kaltherzige Karikatur eines Milieus. Der Regisseur stammt selbst aus Omaha, dem Ort der Handlung. Aber sind wir nicht alle irgendwie aus Omaha? Alexander Payne jedenfalls hasst seine Herkunft zu sehr (oder zu wenig), um auf interessante Weise von ihr zu erzählen. Es ist, wie man an diesem Film sehen kann, leider nur ein Vorurteil, dass wir am besten von dem erzählen können, was uns am nächsten liegt.
Am Ende muss man fast froh sein, dass Payne sich gar nicht wirklich an Begleys Stoff versucht hat. Vielleicht spricht auch ein Teil echte Erleichterung aus Begleys ironischem Bonmot. Denn nicht nur die politische Dimension ist mit dem Antisemitismus-Thema aus dem Stoff zielsicher entfernt worden. Auch das menschliche Drama eines alternden Mannes, der sein inneres Erlöschen mit einer erotischen Eskapade überspielen will, fehlt vollständig. Albert Schmidt hat im Roman eine Affäre mit einer jungen Kellnerin. Der tapsige Warren Schmidt hingegen scheitert schon daran, der Ehefrau eines anderen in einem Campingwagen einen Kuss aufzudrücken. Aus dem unglücklichen Bourgeois, dessen äußere Weltläufigkeit in Spannung zu seiner Unkenntnis der eigenen Gefühle steht, ist im Film ein mattes Abziehbild des Handlungsreisenden Willy Loman geworden, der Klischeefigur des amerikanischen Selbsthasses.
'애타는 독일어' 카테고리의 다른 글
NIRGENDWO IN AFRIKA (0) | 2003.03.25 |
---|---|
Krieg (0) | 2003.03.21 |
Romane von Renate Feyl (0) | 2003.03.10 |
SYMPATHIE-BRIEF AN BUSH (0) | 2003.03.05 |
Bella Martha (0) | 2003.03.05 |