애타는 독일어

about schmidt

史野 2003. 3. 15. 12:06


Der traurige Amerikaner



Von Oliver Hüttmann



Alexander Paynes Rentner-Drama "About Schmidt" zeigt Jack Nicholson in einer Paraderolle: Als frustrierter Ruheständler, der sich ein letztes Mal gegen die Zeitläufte wehren will, führt uns der Hollywood-Veteran den Gemütszustand der Verlorenen und Verwirrten Amerikas vor.



Die Uhr tickt, und Warren Schmidt verfolgt mit unbewegtem Blick, wie der Sekundenzeiger über das Zifferblatt ruckelt. Er sitzt an seinem leer geräumten Schreibtisch, in einer Ecke des grau gestrichenen Büros sind Umzugskartons gestapelt. Um Punkt fünf steht er auf, löscht das Licht und schließt hinter sich die Tür. So wird er es jedes Mal zum Feierabend getan haben. Doch diesmal geht er in den Ruhestand. Und bei diesen Momentaufnahmen, in denen die Minuten mit schleichender, stiller Tristesse verstreichen, ahnt man schon, wie das ganze Leben von Warren Schmidt verlaufen sein muss.



"About Schmidt" ist der Film, bei dem alle über Jack Nicholson reden. Mit fahlem Gesicht, steinerner Miene und gequältem Lächeln brilliert er als biederer Rentner, der sein Schicksal rekapituliert und zu einer bitteren Erkenntnis kommt. Sein Schmidt ähnelt ein wenig seinem pensionierten Cop in Sean Penns "Das Versprechen", ohne dass er sich dabei wiederholt. Denn die Präzision, mit der Nicholson in seiner Karriere vor allem die Verwirrten und Verlorenen zu unverkennbaren Charakteren gestaltet hat, bleibt einzigartig.




Minimalistisch und doch nuanciert verkörpert er Schmidts innere Leere, Müdigkeit und verknöcherte Haltung. Mit hängenden Mundwinkeln und leicht im Nacken verschränktem Kopf sieht er aus, als hätte er mit Wasser im Rachen gespielt. Dafür ist er nun zum zwölften Mal für den Oscar nominiert, von denen er immerhin schon drei gewonnen hat. Das wird wohl nie mehr ein Schauspieler überbieten.



Nicholson ist in jeder Szene zu sehen. Dass diese Präsenz nicht manieriert wirkt, ist auch ein Verdienst des Regisseurs Alexander Payne. Ungekünstelt begleitet er Schmidt mit sensiblen, unsentimentalen und symbolischen Bildern und behält dabei eine bewegende Balance aus Melancholie und wahrhaftigem Witz. Wenn Schmidts rührige Ehefrau Helen (June Squibb), die sich so auf den gemeinsamen Lebensabend gefreut hat, an einem Herzinfarkt stirbt und er sie neben dem surrenden Staubsauger findet, spiegelt das unfassbare Tragikomik. Beim Begräbnis, während alle schluchzen und der Pastor predigt, beobachtet Schmidt abwesend einen Tiertransporter auf der anderen Straßenseite.





Schmidt war Statistiker bei einem Versicherungskonzern. Der Job, ein einsamer Höhepunkt in seinem Dasein, so wie das Gebäude seines Arbeitgebers als einziges Hochhaus von Omaha die flache Hauptstadt Nebraskas dominiert. Die Arbeit hat seinen Rhythmus geprägt. Er steht auch jetzt noch morgens um sieben Uhr auf, hockt sich zu Hause an den Schreibtisch und löst Kreuzworträtsel. Er besucht seinen jungen Nachfolger in der Firma, der dynamisch mit Handy und Computer hantiert und seinen Schreibtisch selbstbewusst mit Blick zur Tür schräg in den Raum gestellt hat. Schmidt selbst saß mit dem Rücken direkt neben der Tür. Er ist wortkarg und steif und entdeckt die Kisten mit seinen über Jahrzehnte akribisch archivierten Unterlagen im Müll. Er wurde ausrangiert und fühlt sich überflüssig.



Lust- und orientierungslos zappt er sich durch das Fernsehprogramm und bleibt plötzlich beim Werbespot eines Hilfswerks für hungernde Kinder in Afrika hängen. Für 22 Dollar im Monat, wird appelliert, könne man einem Kind eine Zukunft geben. Die Diskrepanz zwischen diesem fernen, wirklichen Leid und Schmidts letztlich lächerlicher Lethargie ist bizarr und bleibt auch ohne Moralismen, als er tatsächlich eine Patenschaft übernimmt. Das sechsjährige Kind heißt Ndugu, und die Organisation bittet Schmidt, er möge in einem Brief etwas über sich erzählen. Er schreibt besessen ein Dutzend Seiten, die sich zur Lebensbeichte auswachsen. Er beschwert sich über seine Pensionierung, beklagt seine Ehe und Helens Marotten und gesteht das Scheitern seiner Ideale ein: Denn als junger Mann hatte er geträumt, etwas Großes und Gutes zu schaffen. Die Briefe an Ndugu, aus dem Off geschildert, werden für Schmidt zu ebenso spöttischen wie selbstmitleidigen Zwiegesprächen mit sich selbst und gehen mit zunehmendem Realitätsverlust einher.




Nach Helens Tod verwahrlost er alleine in seinem Haus und wird erst aus der Apathie gerissen, als er an Hand alter Briefe entdeckt, dass Helen vor 30 Jahren eine Affäre mit seinem Kollegen und besten Freund Ray (Len Cariou) hatte. Schmidt flüchtet mit seinem Wohnmobil und entschließt sich, endlich mal seinen Willen durchzusetzen und die Heirat seiner einzigen Tochter Jeannie (Hope Davis) mit dem einfältigen Wasserbetten-Verkäufer Randall (Dermot Mulroney) zu verhindern. Doch sie will von ihrem Vater und seinem Ansinnen nichts wissen. Und so wird die Trauung in Denver für Schmidt zur endgültigen Demütigung, Kapitulation und Gewissheit, dass Schmidt nichts als ein angepasster Versager ist.


Die Fahrt zu Jeannie ist ein Weg zu sich selbst, aber auch eine Reise durch die amerikanische Seele. Unterwegs besucht Schmidt eine Schau über die Pionierzeit, das Buffalo-Bill-Museum und eine prähistorische Ausstellung. Werte der Vergangenheit, die vor allem im weiten Land zwischen den Küstenmetropolen noch zählen und Schmidt als unbeweglichen Dinosaurier zeigen, der sich mit seinem Wohnmobil wehmütig im Kreis dreht. Auf einem Campingplatz wird er von einem Ehepaar auf ein paar Bier eingeladen, man quatscht und lacht, bis die Frau plötzlich bemerkt: "You are a sad, sad man" .



Nicholsons Schmidt steht in einer langen Reihe seiner traurigen Amerikaner, denen in "Einer flog über das Kuckucksnest", auch "Shining" oder "Das Versprechen" unerbittlich die Zeit davon lief. Und wie bei diesen Meisterwerken hat er auch in "About Schmidt" kongeniale Partner, allen voran Kathy Bates als Randalls burschikose Hippie-Mutter Roberta, und mit Alexander Payne einen Regisseur, der konsequent jede falsche Erlösung verweigert.



"About Schmidt". USA 2002. Regie: Alexander Payne; Drehbuch: Jim Taylor, Alexander Payne; Darsteller: Jack Nicholson, Kathy Bates, Hope Davis, Dermot Mulroney, June Squibb, Matt Winston; Produktion: Avery Pix, New Line Cinema; Verleih: Warner Bros.; Länge: 124 Minuten; Start: 27. Februar 2003




10/2003

Film

Der Spitzenspießer

In Alexander Paynes Film „About Schmidt“ versucht sich Jack Nicholson am Seniorendasein

Von Jörg Lau

Der Autor Louis Begley war ursprünglich, so hört man, von der Idee sehr angetan, man würde seinen Roman About Schmidt mit Jack Nicholson in der Hauptrolle verfilmen. Der junge Regisseur Alexander Payne führte Begley die fertige Adaption vor dem Kinostart in einer Privatvorstellung vor. Begley ist ein höflicher und höchst diplomatischer Mann. Er versteht es, scharfe Kritik in Form eines Lobes unter die Leute zu bringen. Also sagte er dem sichtlich nervösen Regisseur, der sich offenbar schon auf einen Veitstanz der gekränkten Eitelkeit eingestellt hatte: „Gratuliere. Ich hätte liebend gern das Buch geschrieben, das Sie verfilmt haben.

Anders als der Autor, der sich auf den Deal nun mal eingelassen hat, ist der Kritiker zum Glück nicht zu Diplomatie verpflichtet: Hiermit also sei den Liebhabern von Begleys Roman dringend geraten, einen weiten Bogen um diesen Film zu machen. Für kritische Jack-Nicholson-Fans hingegen ist About Schmidt obligatorisch.

Nicholson spielt hier mit der Abweichung vom eigenen Klischee. Wer seine hoch expressiven, manchmal übermäßig grimassierenden Auftritte als Psychiatriepatient, Axt-Mörder, Werwolf und leibhaftiger Sex-Teufel in Erinnerung hat, der wird überrascht sein zu sehen, wie dieser Spezialist für extreme Figuren hier einen in seiner unterdrückten Wut erstarrten Spießer gibt. In der ersten Szene, am Tag seiner Pensionierung, sitzt er in seinem leeren Büro zwischen Umzugskisten und starrt die Uhr an. Das schüttere Haar ist über die Glatze gekämmt, der Blick erloschen und müde, und für einen Moment könnte man tatsächlich denken, Ernest Borgnine sei irgendwie digital oder genetisch um 20 Jahre verjüngt worden. Dann schlägt es fünf, und Nicholson schlurft mit hängenden Schultern aus einem freudlosen Arbeitsleben in ein trostloses Seniorendasein hinein – ein Zwangscharakter, ein Verlierertyp, eine unerhebliche Existenz, der zur Lächerlichkeit bloß die nötige Fallhöhe fehlt.

Man ahnt, was nun kommen muss: Die Ordnung dieser spießigen Existenz wird sich als Schein erweisen, Warren Schmidt die Kontrolle über sein Leben verlieren und erkennen müssen, dass er eine noch kleinere Nummer ist, als er selbst schon ahnte. Weder zu seiner Frau, die bald sterben wird, noch zu seiner Tochter hat er je eine echte Beziehung gehabt, und sein Versuch, sich in die Hochzeitspläne der Letzteren einzumischen, führt beinahe zum Desaster. Die Katastrophe wird nur dadurch vermieden, dass Warren Schmidt sich seiner Würstchenhaftigkeit bewusst wird und klein beigibt: Die Tochter heiratet den Typen, vor dem Schmidt sie bewahren wollte, und er muss auch noch gute Miene dazu machen. Am Ende bleibt ihm nur das Selbstmitleid eines Mannes, der sich fälschlicherweise für den Inbegriff von Normalität und Integriertsein gehalten hat und nun erkennnen muss, dass er sein Leben in innerer Einsamkeit und Beziehungslosigkeit vertan hat.

Nicholson spielt Schmidt mit einem ironischen Blinzeln, das jedem erlaubt, sich diesem Ausbund an trister Mittelmäßigkeit fortwährend überlegen zu fühlen. Das ist der Grund für das Scheitern dieses Films, der eine interessante Studie über Alter, Einsamkeit, Wut und späte Reue hätte werden können. Doch noch die traurigsten Szenen verhunzt Nicholson durch plumpe Clownerie. Er hält es einfach nicht aus, Warren Schmidt zu sein. Er will ihn dauernd entlarven und vorführen, ganz so, als hätte ihn die Panik gepackt, wir könnten ihn am Ende tatsächlich mit seiner Figur identifizieren.

Es ist meist unnütze Erbsenzählerei, die Adaption mit dem Originalstoff zu vergleichen. In diesem Fall aber erschließt sich aus den Abweichungen die Schwäche des Films. Aus dem reichen und weltläufigen New Yorker Anwalt Albert Schmidt hat Alexander Payne Warren Schmidt gemacht, einen piefigen Versicherungsangestellten in Omaha, Nebraska. Der smarte jüdische Anwalt aus Schmidts Kanzlei, den seine Tochter zu Papas Unbehagen heiraten will, ist im Film zu einem proletenhaften Volltrottel geworden. Das Thema des Antisemitismus, das im Roman keine geringe Rolle spielt – Schmidt verschmäht den Zukünftigen ja nicht zuletzt seiner Herkunft wegen –, hat Payne einfach weggelassen. Dermott Mulroney übrigens, der den Schwiegersohn spielt – eigentlich einer der attraktivsten Schauspieler der mittleren Generation –, ist durch die fieseste Vokuhila-Frisur im amerikanischen Kino seit Mel Gibsons Braveheart regelrecht entstellt.

Dies ist keine Nebensache: Alles in diesem Film, der bloß vorgibt, sich für die Alltäglichkeit und Durchschnittlichkeit seiner Helden zu interessieren, ist doch nur die kaltherzige Karikatur eines Milieus. Der Regisseur stammt selbst aus Omaha, dem Ort der Handlung. Aber sind wir nicht alle irgendwie aus Omaha? Alexander Payne jedenfalls hasst seine Herkunft zu sehr (oder zu wenig), um auf interessante Weise von ihr zu erzählen. Es ist, wie man an diesem Film sehen kann, leider nur ein Vorurteil, dass wir am besten von dem erzählen können, was uns am nächsten liegt.

Am Ende muss man fast froh sein, dass Payne sich gar nicht wirklich an Begleys Stoff versucht hat. Vielleicht spricht auch ein Teil echte Erleichterung aus Begleys ironischem Bonmot. Denn nicht nur die politische Dimension ist mit dem Antisemitismus-Thema aus dem Stoff zielsicher entfernt worden. Auch das menschliche Drama eines alternden Mannes, der sein inneres Erlöschen mit einer erotischen Eskapade überspielen will, fehlt vollständig. Albert Schmidt hat im Roman eine Affäre mit einer jungen Kellnerin. Der tapsige Warren Schmidt hingegen scheitert schon daran, der Ehefrau eines anderen in einem Campingwagen einen Kuss aufzudrücken. Aus dem unglücklichen Bourgeois, dessen äußere Weltläufigkeit in Spannung zu seiner Unkenntnis der eigenen Gefühle steht, ist im Film ein mattes Abziehbild des Handlungsreisenden Willy Loman geworden, der Klischeefigur des amerikanischen Selbsthasses.

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