애타는 독일어

Brief an Goethe

史野 2004. 5. 2. 11:11

 

Von Sinasi Dikmen

 


Lieber onkel Goethe,
 

zuerst grüße ich Dich herzlich aus Bockenheim und küsse Deine baumwollweichen Hände. Ich hoffe, es geht Dir gut, auch Deiner Familie und Deinen Freunden.
Unsere Lehrerin Frau Symirczki erzählte in der Klasse, daß Du dieses Jahr Geburtstag hast und Deutschland das ganze Jahr Deinen Geburtstag feiert. Herzlichen Glückwunsch! Ich weiß zwar nicht, wie ein Mensch in Deutschland ein ganzes Jahr Geburtstag haben kann. Aber vielleicht weißt Du ja selbst nicht, wann Du geboren worden bist? So wie mein Vater. Mein Vater sagt immer: Ich kann jeden Tag meinen Geburtstag feiern, oder auch zwei, drei Tage hintereinander. Mein Vater ist ein komischer Mensch. Er ist nicht einmal doppelter Staatsbürger. Mein älterer Bruder ist Deutscher. Meine Mutter will keine Deutsche werden, meine ältere Schwester auch nicht. Ich weiß noch nicht, ob ich Deutscher werden will oder nicht. Vielleicht will ich Grieche werden, oder am besten ein Indianer. Ein Schwarzer wäre auch nicht schlecht, aber nur dann, wenn ich die Farbe meines Gesichtes ändern kann, wenn ich in die Schule gehe. Der Joachim, obwohl er Deutscher ist, heißt in der Klasse nur Neger, und ich will kein Neger werden. Schwarzer ja, aber Neger ist schlimm. Tamagochi würde ich auch werden wollen, aber den muß man immer füttern, und wenn er keinen Fraß bekommt, verreckt er. So sind die Japaner, sagt Swen.

Wie ist das, onkel Goethe, wenn ich jetzt als Türke in Deutschland ein Indianer werden will: Reicht es, wenn ich sage: Ja, ab jetzt bin ich ein Indianer, oder muß ich vorher unbedingt den Indiananerpaß in der Tasche haben, um sagen zu dürfen: Ich bin ein Indianer?
Der Beckstein (der ist, glaube ich, Minister) behauptet: Um Deutscher zu sein, muß man das Recht des Blutes walten lassen. Unter uns gesagt, onkel Goethe, wenn das so ist, dann darf mein Bruder kein Deutscher sein. Meine Mutter sagt nämlich immer über ihn: Er ist ein Schlingel, aber er ist mein Blut. Oder ist meine Mutter eine verkappte Deutsche? Vielleicht weiß sie selber nicht, daß sie eine Deutsche ist? Soll ich es ihr sagen, oder soll sie nie erfahren, daß sie Deutsche ist? Vielleicht wird sie dann unglücklich. Als mein Bruder Deutscher werden wollte, sagte sie ihm: Deutscher sein bringt auch kein Glück. Schau dir die Deutschen an, mein Sohn, sie sind zwar alle Deutsche, aber sie jammern ständig.

Erst müssen die Ausländer integriert werden, sagte dieser Minister...Onkel Goethe, muß man unbedingt Minister werden, um solchen Stuß sagen zu dürfen, oder reden alle Minister solchen Stuß? Wie ich gehört habe, bist du auch Minister gewesen, und?
Die deutsche Sprache muß man zuerst können, sagte er. Gut, Pjetro Müller aus Kasachstan kann nicht gut deutsch. Er ist aber Deutscher, und meine Schwester nicht, obwohl sie immer meine Aufsätze verbessert. Meine Schwester sagt, wenn dieser Minister von Integration spricht, dann meint er, daß er aus uns allen Deutsche machen will. Jetzt komme ich überhaupt nicht mehr mit. Einige Parteien wollen uns zu Deutschen machen, die anderen wollen nicht, obwohl sie aus uns das gleiche machen wollen. Ich fragte meine Schwester, was das bedeuten soll. Sie antwortete mir: Goethe schrieb mal über die Deutschen: Wir sind in Deutschland sehr verständig und haben guten Willen, beides für den Hausgebrauch; wenn aber einmal etwas Besonderes zum Vorschein kommt, so wissen wir gar nicht, was wir damit anfangen sollen, der Verstand wird albern und der gute Wille schädlich.

Ich hatte gar nicht gewußt, daß Du schreibst, onkel Goethe. Und obwohl ich nichts verstanden habe, verspreche ich Dir eins: Ich werde Dich lesen, egal, ob ich Doppelter werde, oder Indianer, oder ob ich Türke bleibe. Das wird mir kein saudummer Minister verbieten können. Und der wird auch nicht merken, daß ich Dich lese.


 


 

Sinasi Dikmen ist Mitbegründer der Käs,
dem Kabarett Änderungsschneiderei in
Frankfurt am Main.
Web:
http://www.die-kaes.com


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