„Ich arbeite, heißt es in einem
Brief von Anfang September 1889, also noch in der Phase einer lang anhaltenden
Krise, während derer van Gogh sich nicht aus der Anstalt hinauswagte.
Ich arbeite ununterbrochen in
meinem Zimmer; das tut mir wohl und verjagt, wie ich mir einbilde, die
krankhaften Gedanken...
Jetzt arbeite ich an zwei
Selbstbildnissen, in Ermangelung eines anderen Modells, denn es ist höchste
Zeit, dass ich etwas Figur mache.
Das eine habe ich angefangen an
dem Tag, als ich zum ersten Mal aufgestanden bin, da war ich weißlich mit
gelbem Haar, also ein Farbeffekt.“
(Vincent van Gogh. Sämtliche
Briefe, herausgegeben von Fritz Erpel, 6 Bände, Bornheim-Merten 1985. Alle
Briefe ohne Angebe des Adressanten sine an Theo van Gogh gerichtet)style='color:olive'>
Die violetten Pinselstrich
rund um den Kopf, die nichts Gegenständliches bezeichnen, folgen jener in Arles
ausgebildeten Pinselstruktur, mit deren Hilfe van Gogh im Anklang an die
früheren Heiligenscheine die Selbstbehauptung als Maler der Zukunft bildhaft stützte
(Malerkittel und Palette betonen hier, dass es um die Kunst geht), jedoch
dominieren in diesem Bild mit dem Grün und dem Weiß des Kopfes die Zweifel und
die Hinweise auf die konkreten Bedingungen und Folgen des Künstlerseins:
Labilität und Krankheit.
Selbstportrait September 1889 Das
zweite Selbstbildnis, das van Gogh in seinem Brief von September 1889 erwähnte,
ist dieses in Blau.
Während
er das voraufgegangene in unmittelbarem Zusammenhang mit der gesundheitlichen
Krise vom Sommer des Jahres sah, wollte er dieses Gegenstück eher als ein
Zeugnis des wiedererwachten Arbeitswillens verstanden wissen, eines
Arbeitswillens, der „der beste Blitzableiter
für die Krankheit“ sei.
Doch
im Bild ist die Behauptung, zu widerstehen, sogleich und unausweichlich einem
Strudel der Irritationen und der Unruhe ausgesetzt.
von Uwe M. Schneede